Neulich unterhielt sich Provinzmadame mit ihrer jüngeren Tochter über die traditionellen Veranstaltungen im Jahreskreis und dabei fiel das Stichwort: Kirtag. Ihre Tochter winkte sofort ab und meinte: „Ich geh heuer nicht hin. Wir machen einen Stoptober“.
Hä, was soll das sein, fragte Provinzmadame irritiert. Die Antwort war kurz:
„Ganz einfach, wir fasten, kein Alkohol im Oktober“ –
Das hätte es früher nicht gegeben erinnert sich Provinzmadame, Kirtag und kein Alkohol. In S. Georgen findet dieses Ereignis zweimal im Jahr statt, im Fasching und im Oktober.
Anno 1995 war das ein Highlight, denn, da war Mittags der Ortskern schon gut besucht, alle gutgelaunt und in Feierlaune. Einige Geschäfte sperrten sogar Nachmittag zu und nur die Kinder tranken Limo.
Und Heute? Detox – und Kombucha statt Spritzer?
Stimmt: Abstinenz hat ihre guten Seiten. Aber nur weil man „etwas“ trinkt, muss man ja nicht gleich zum Alkoholiker abgestempelt werden. Natürlich meint Provinzmadame hier nicht jene, die sich regelmäßig ins Koma trinken, sondern die Genusstrinker, die sich zum Essen ein kleines Bier oder Abends in Gesellschaft ein Glas Wein gönnen. Warum dieser missionarische Eifer?
Lassen wir die Kirche doch im Dorf und verurteilen nicht gleich die, die keinen Kombucha trinken. Auch im Freundeskreis meinte einer vor Kurzem: „Man kann ja was trinken, aber dann sollte man auch mal Pausen machen“ – klingt vernünftig, aber das aus dem Mund eines trockenen Alkoholikers? So viel zum Thema Doppelmoral und Abstinenz.
Genuss sollte keine To-do-Liste sein
Am Abend Zuhause, wollte sich Provinzmadame noch ein Genuss-Achterl einschenken, da fiel ihr das Gespräch wieder ein. Sie stellte das Glas wieder zurück in die Vitrine und den Wein in den Kühlschrank. Es geht auch ohne.
Schaltete den Fernseher ein und kuschelte sich auf die Couch. Da staunte sie nicht schlecht:
Auf jedem Sender wurde getrunken!
Da war die Kommissarin, die Abends Nachhause kam und sich ein Glas Rotwein einschenkte, die verlassene Ehefrau, die sich verweint eine Flasche Sekt öffnete, die Doku über die Queen und ihre Gin-Vorliebe und dann noch der Liebhaber in der Schnulze, der eine Flasche Champagner zum Date mitbrachte. Bravo!
Genuss oder Sucht – wer entscheidet darüber?
Provinzmadame ist sicherlich die Letzte, die jemanden bekehren will, aber wenn man Verzicht erzwingen will, sollte man doch lieber mal Schokolade und Burger anfangen. Immerhin fallen die meisten Süßigkeiten und Alkohol unter die Aktionen im Supermarkt, selten Grundnahrungsmittel. Dabei, wird der Preis oft Wochen vorher angehoben. Tja, gesundes Essen muss man sich anscheinend leisten können.
Früher war Süßes etwas besonderes, eine Belohnung, die es nur an Feiertagen oder bei Besuch gab. Heute hat fast jede Familie ihre „Naschlade“, in die man bei Kummer, Frust oder Langeweile hineingreifen kann.
Fazit: Ob Stoptober, Dry January oder Zuckerfasten, wer seinem Körper was Gutes tun will, super. Nur – sollte man anderen deswegen kein schlechtes Gewissen machen.
Entscheidend sollte doch das „Wie viel“ und nicht das „Warum“ sein.
„Komisch: Manche brauchen einige Gläser Alkohol, bevor sie frei von der Leber weg reden können“ – Ernst Ferstl
